12./13. Jh. - Worms und die Staufer

Die große Blütezeit der Stadt Worms zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert fällt zusammen mit der Epoche der staufischen Herrscher an der Spitze des römisch-deutschen Reiches im hohen Mittelalter.

 
 

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Bauten zeugen vom ungewöhnlichen Aufschwung

In den Jahren von etwa 1150 bis 1250 prägten Handel, große Kirchenbauten, die fruchtbare Landschaft am Rhein und das staufische Herrschergeschlecht die rasante Stadtentwicklung nachhaltig. Bis heute bezeugen die romanischen Bauten, allen voran der Dom St. Peter (erbaut zwischen etwa 1100/1125 und der Weihe 1181), die Stifte (St. Paulus, St. Martin, St. Andreas – Letzteres heute Museum – um 1230), die Stadtmauerreste (vor allem im Bereich des heutigen Nibelungenmuseums) und Bauten der jüdischen Gemeinde einen ungewöhnlichen Aufschwung der Region mit ihrem Mittelpunkt Worms. 


Stauferherrscher als Förderer

Die staufischen Herrscher von Friedrich I. Barbarossa (1152–1190) bis zu Friedrich II. (1212–1250) hielten sich sehr oft in der Region und der Bischofs­stadt Worms auf und förderten – teilweise unter Zurückdrängung der bischöflichen Herrschaft – die wirtschaftliche und rechtlich-politische Besserstellung der Bürgerschaft und den Prozess der Heraus­bildung der Stadtgemeinde. Das belegen bis heute Zeugnisse des Stadtarchivs.

Herausragende Bedeutung besitzt im Zusammen­hang dieses fortschrittlichen Prozesses der Stadtentwicklung und früher bürgerlicher Freiheitsrechte das im Jahre 1184 von Friedrich I. Barbarossa der Bürgerschaft erteilte, inschriftlich über dem Dom-Nordportal angebrachte Freiheitsprivileg (Goldbulle an der Urkunde Friedrichs I. 1184, Stadtarchiv Worms).

Um diese Zeit wurde auch das früheste Stadtsiegel mit dem Abbild des Stadtpatrons Petrus gestochen. Im Jahre 1180 wird erstmals ein städtisches Friedensgericht genannt, das sich bis gegen 1200 zu einem vergleichsweise früh dokumentierten Stadtrat entwickelt hat. Das mit Worms eng verbundene Königtum und die Bischöfe teilten sich faktisch die Herrschaft über die ökonomisch aufblühende, politisch wichtige Stadt, deren Befestigung kurz vor 1200 unter großem Aufwand nach Osten erweitert wurde.


Wichtigste Schauplätze des Nibelungenliedes

Worms ist auch eines der wichtigsten Schauplätze des um 1200 entstandenen Nibelungenliedes. Der Dichter hat reale Gegebenheiten der Stadt in seine Darstellung eingebunden, unter anderem den monumentalen Wormser Dom, eines der bedeutendsten Bauwerke der Romanik in Deutschland.

Während der langen Regierungszeit Barbarossas von 1152 bis 1190 wurde kein Ort nördlich der Alpen so häufig aufgesucht wie Worms. Im Reise­weg des Herrschers, der ohne feste Residenz unterwegs war, da seine persönliche Anwesenheit für die Herrschaftsordnung zentrale Bedeutung besaß, spielte die heutige Rhein-Neckar-Region als eines der ›Kraft­zentren‹ des Reiches eine herausragende Rolle.

Hier fanden Hoftage statt, auf denen Gericht gehalten wurde, hier nahmen die Herrscher an den hohen Kirchenfesten im Dom teil, hier fielen politische Entscheidungen. Nachweisbar sind enge personelle Verflechtungen zwischen den Wormser Stiften (also der Geistlichkeit) und der Kanzlei bzw. dem Personen­umfeld des Hofes. Über Jahrzehnte waren die Wormser Bischöfe im Reichsdienst im Einsatz, als Diplomaten, Heerführer und Stützen königlicher Herrschaft nördlich der Alpen ebenso wie in Reichsitalien.

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zog an

Eine wichtige Ursache für diese Vorrang­stellung der Landschaft um Worms mit ihrem räumlich kleinen, politisch aber wichtigen Bistum zwischen Kaiserslautern und Wimpfen am Neckar ist die wirtschaft­liche Leistungs­fähigkeit der Gegend am Rhein, wie sie bereits von den Zeitgenossen nachdrücklich unterstrichen wurde. Bereits der zeitgenössische Chronist Otto von Freising hob die Fähigkeit der Gegend hervor, den Hof und das Gefolge des Herrschers über längere Zeit versorgen zu können.

Im Gegenzug für diese Inanspruchnahme erfreuten sich die Bischöfe wie auch die entstehenden kommunalen Gremien intensiver Förderung. Auch Barbarossas Nachfolger Kaiser Heinrich VI. (1190–1197) und König Philipp von Schwaben (1198–1208) blieben Worms (aber auch dem benachbarten, nur gut vierzig Kilometer südlich gelegenen Speyer) eng verbunden und waren de facto an der Herrschaft über die wirtschaftlich immer wichtiger werdende Stadt beteiligt.

In ähnlicher Weise bestanden enge Kontakte der Staufer zu der schon als Grablege wichtigen Speyerer Domkirche und der dortigen Bischofsstadt. Worms und Speyer nahmen in vielerlei Hinsicht eine vergleichbare, königsnahe Entwicklung und blieben Reichsstädte bis 1798.


Jüdische Gemeinde trug zur Entwicklung bei

Wesentlichen Anteil an der hervorragenden Entwicklung der Stadt während des hohen Mittelalters hatte die spätestens seit der Jahrtausendwende bestehende, in enger Beziehung zum Königtum stehende und während des hohen Mittelalters aufgrund der Tätigkeit ihrer Mitglieder im Fernhandel ökonomisch blühende jüdische Gemeinde.

Sie gehörte auch aufgrund ihrer geistig-religiösen Bedeutung und Ausstrahlung zu den bedeutendsten Niederlassungen im deutschen Reichsgebiet. Die Staufer übernahmen als Könige und Kaiser den Schutz der für Wirtschaft und Kommunikation wichtigen Judengemeinden, wozu im Jahre 1157 eine wichtige Urkunde ausgestellt wurde.

Wormser hielten zu den Staufern

Unter Kaiser Friedrich II. (1212–1250) standen die Wormser in betonter Loyalität zu den Staufern, selbst dann, als der Herrscher vor allem ab 1245 durch päpstlichen Bann politisch in die Enge gedrängt wurde. Friedrichs glanzvoller Aufenthalt in Worms 1235, in dessen Verlauf er die englische Königstochter Isabella heiratete und die Auseinandersetzung mit seinem Sohn, König Heinrich (VII.) auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuerte, belegen den politischen Stellenwert der Stadt nachdrücklich.

Friedrich II. hat unter Anlehnung an die Politik seiner Vorgänger enge Beziehungen zur Stadt unterhalten, diese durch Privilegien und Rechte gefördert, sodass die kommunale Entwicklung vorangehen konnte. Die in starkem Umfang in die Kämpfe um das staufische Königtum verstrickte Stadt nahm nach dem Ende der staufischen Herrschaft eine führende Rolle bei der Gründung und Organisation des Rheinischen Städtebundes (1254/1256) ein und war im späten Mittelalter an zahlreichen regionalen Städtebünden beteiligt; dauerhaft eng blieb die Bindung der Stadt an das Königtum.

 

Ein Beitrag von Dr. Gerold Bönnen