Wormser Religionsgespräche

Seit 2013 laden die Stadt Worms, die Evang. Kirche in Hessen und Nassau und das Evang. Dekanat Worms-Wonnegau gemeinsam zu „Wormser Religionsgesprächen“ ein. Anlass dazu war das Themenjahr „Reformation und Toleranz“ der Lutherdekade, das am 31. Oktober 2012 in Worms eröffnet wurde. Die Veranstalter nahmen dabei Bezug auf die drei Wormser Religionsgespräche Mitte des 16. Jahrhunderts. 

Robbers, Scherf, Oelschläger (v.l.) in Worms, Foto: EKHN/Rahn 
Robbers, Scherf, Oelschläger (v.l.) in Worms, Foto: EKHN/Rahn

1541 suchten der elsässische Reformator Martin Bucer und der Kölner Domherr Johannes Gropper beim ersten Wormser Religionsgespräch einen Konsens in gemeinsamen Lehrartikeln, dem „Wormser Buch“. 

Auch nach dem Augsburger Religionsfrieden, der das Reich in evangelische und katholische Territorien teilte, unternahmen Gropper und der Wittenberger Reformator und Luthervertraute Philipp Melanchthon 1557 im zweiten Wormser Religionsgespräch erneut einen Konsensversuch. Beide Versuche scheiterten. 

 

Im gleichen Jahr fand im heute zu Worms gehörenden Pfeddersheim ein Religionsgespräch zwischen Vertretern der lutherischen Kurpfalz und Täufern statt. Auch hier konnte kein Konsens erzielt werden. 

Die Täufer waren danach in der Kurpfalz Verfolgungen ausgesetzt. Erst nach dem 30jährigen Krieg kam es zu Duldungen, als   zum Wiederaufbau des verwüsteten Landes Schweizer Täufer angesiedelt wurden, so auch im Wormser Stadtteil Ibersheim. Aufgrund ihres reichsstädtischen Status wurden in der lutherischen Stadt Worms die Rechte der Katholiken garantiert. Seit 1644 gab es auch eine reformierte Gemeinde in Worms. 

Seit dem 10. Jahrhundert besteht in Worms eine jüdische Gemeinde, immer wieder unterbrochen durch Verfolgungen und Vertreibungen. Der nationalsozialistische Völkermord an den Juden hat die Gemeinde nach 1945 erst langsam als Teil der Mainzer Gemeinde wieder entstehen lassen. Vor allem die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte ab 1961 hat in Worms muslimische Gemeinden verschiedener Prägung entstehen lassen. Seit 2003 organisiert der Interkulturelle runde Tisch alljährlich das „Fest der Kulturen“ und andere Veranstaltungen.

Unter dem Titel „Dulden oder Verstehen“ fanden die ersten Wormser Religionsgespräche des 21. Jahrhunderts vom 19. bis 21. April 2013 statt. Der Termin wurde mit Blick auf Luthers Wormser Widerrufsverweigerung am 18. April 1521 gewählt. Die Eröffnungsrede im Wormser Tagungszentrum hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Auf dem Podium zum Thema Toleranz diskutierten der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann, der Braunschweiger evangelische Landesbischof Friedrich Weber, der Münsteraner Islamwissenschaftler Muhannad Khorchide, die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klappheck und der Frankfurter Philosoph Rainer Forst. 

In die Diskussion eingeführt hatte der frühere Kirchenpräsident der EKHN Peter Steinacker. Der Studien- und Begegnungstag des Evang. Dekanat Worms-Wonnegau wurde mit einem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche (Predigt: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung) und einem „Gebet der Religionen“ eröffnet. In den Workshops ging es u.a. um den islamischen Religionsunterricht, um die Wormser Religionsgespräche des 16. Jahrhunderts, Luthers Haltung zum Judentum sowie um öffentliche Theologie in einer offenen Gesellschaft. In einem Konzert der „capella lutherana“ wurden Liedsätze des frühen 16. Jahrhunderts vorgestellt, die vom Drucker Peter Schöffer in Worms und Straßburg gedruckt worden sind.

Die zweiten Wormser Religionsgespräche in 2016 standen unter dem Thema „Gewissensfreiheit in der Einen Welt“. Der Reformationsbeauftragte der rheinland-pfälzischen Landesregierung Gerhard Robbers eröffnete die Veranstaltung im Wormser Tagungszentrum mit einer Rede zur Gewissensfreiheit im Pluralismus. Auf dem Podium diskutierten die Berliner Philosophen Volker Gerhardt und Jacob Emmanuel Mabe, die Beiruter Islamwissenschaftlerin Nayla Tabbara, die Jerusalemer Erziehungswissenschaftlerin Debbie Weissmann und der frühere EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider. 

Am Studien- und Begegnungstag, der vom Evang. Dekanat Worms-Wonnegau ausgerichtet wurde, gab es Workshops mit Gästen aus dem Libanon, Kamerun, Tschechien, Italien und Deutschland. Mit einer Touristenbahn konnten Besucher „Orte des Gewissens“ in der Stadt kennenlernen. Ein Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche (Predigt: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung) , ein Kurzfilmabend, zwei Ausstellungen und das Konzert eines Frankfurter jüdisch-christlich-muslimischen Chorprojekts zu den Psalmen rundeten die Veranstaltung ab.