18. Januar 1074 - der 950. Jahrestag rückt näher: Das Datum ist eines der wichtigsten in der gesamten Wormser Stadtgeschichte! Warum, lesen Sie hier:
Vor dem Hintergrund der dramatischen Lage der Königsherrschaft Heinrichs IV. war dieser Ende 1073 nach dem Bericht des Chronisten Lampert von Hersfeld von den Wormsern in ihre befestigte Stadt aufgenommen und unterstützt worden; der bischöfliche Stadtherr musste schon zuvor fliehen. Bewaffnet und gerüstet gelobten die gemeinschaftlich handelnden Wormser dem König Beistand, Treue und Hilfe. König Heinrich IV., der aufgrund von Aufständen fast fluchtartig aus Sachsen an den Rhein gekommen war, stellte in der für ihn äußerst schwierigen politischen Lage für die "Juden und übrigen Wormser" ("judei et coeteri Wormatienses") vor bald 950 Jahren, am 18. Januar 1074, aus Dankbarkeit für die ihm vor Ort gewährte Unterstützung eine Pergamenturkunde aus, in der den Bewohnern von Worms Zollfreiheiten königlichen Zollstätten erteilt wurden.
Es handelt sich um die älteste, mit dem gut erhaltenen Siegel des Königs beglaubigte Urkunde des Stadtarchivs Worms und die erste Urkunde überhaupt, die im deutschen Reich vom König den Bürgern einer Stadt ausgestellt worden ist. Zugleich ist sie ein einzigartiges politisch-programmatisches Manifest: Das Verhalten der Wormser gegenüber dem König wird als Vorbild für andere Städte herausgestellt, die ausdrücklich zur Nachahmung ermuntert werden.
Schon der Tatbestand, dass die Urkunde bis heute, fast 950 Jahre später, in einer kommunalen Archivüberlieferung verblieben ist, bezeugt die Existenz einer äußerst frühen handlungsfähigen Führungsgruppe mit dezidierten ökonomischen Interessen und eine auf Dauerhaftigkeit angelegte kommunale Organisationsform. Der Historiker Bernd-Ulrich Hergemöller sah daher in der Urkunde ein Zeichen für einen "epochalen Wandel" in der Herrschaftsordnung – die Stadt wird zum neuen Faktor der Herrschaftsordnung, ein Meilenstein! Mit der Urkunde kommt erstmals überhaupt eine Art "Bündnis" zwischen dem König und den von ihm rechtlich anerkannten und geförderten Bürgern als neuer politisch-militärischer Kraft zustande. Die Privilegien bleiben bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wirksam – Worms wurde zur Reichsstadt und blieb es bis um 1800.
Der 18. Januar 1074 markiert weit über Worms hinaus ein herausragendes Datum in der Entwicklung der mittelalterlichen deutschen Stadt insgesamt. Das Ereignis wird in der stadtgeschichtlichen Forschung immer wieder herausgestellt, die Urkunde ist eine begehrte Leihgabe für überregionale Ausstellungen.
Der herausragenden Bedeutung des Pergaments entsprechend bereitet das Stadtarchiv für das Jubiläum, das seinesgleichen unter den mitteleuropäischen Städten sucht, einige Aktivitäten vor. Dazu gehört auch eine umfangreiche Publikation von Archivleiter Dr. Gerold Bönnen zu allen Aspekten des einzigartigen Dokuments, die Ende 2023 erscheinen wird.