Mit der Flugschrift "An die Ratsherren aller Städte deutsches Lands" (gedruckt in Wittenberg 1524) aus der Wormser Luther-Bibliothek steht die Stadtbibliothek Worms seit dem 9. Oktober 2015 im Weltdokumentenerbe.
Seit dem 9. Oktober 2015 ist es amtlich: Auf einer UNESCO-Konferenz in Abu Dhabi wurde die Eintragung früher Luther-Schriften aus deutschen Bibliotheken und Archiven in das Weltdokumentenerbe der UNESCO beschlossen, darunter das in der Luther-Bibliothek der Stadtbibliothek Worms aufbewahrte Exemplar von Luthers Flugschrift An die Ratsherren aller Städte deutsches Lands (Wittenberg 1524; Digitalisat siehe Infobox). Diese Luther-Schrift wurde auf ausdrücklichen Wunsch der UNESCO (als übernationaler Bildungsorganisation) aufgenommen, da Luther hier eine humanistische Bildung für Jungen und Mädchen (!) aller Stände fordert - vor allem mit dem Ziel, ihnen die eigene Bibellektüre zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollten die Ratsherren Schulen und Bibliotheken einrichten - was in Worms 1527 mit Einrichtung der städtischen Lateinschule – heute Rudi-Stephan-Gymnasium – geschah. – Der Frühdruck von Lucas Cranach und Christian Döring mit einem Renaissance-Titelholzschnitt, auf dem unter dem Titel zwei Putten die Lutherrose in einem Medaillon halten, gehört zum Bestand der Luther-Bibliothek, die Maximilian Heyl aus Anlass des 400. Geburtstages des Reformators 1883 seiner Heimatstadt Worms schenkte. Diese einzigartige Sammlung von Frühdrucken – Bibelübersetzungen und Flugschriften von Martin Luther und seinen Mitstreitern, auch einige Schriften seiner Gegner – hatte Julius Stern, führender Buchhändler und Antiquar in Worms, ein Jude, im Auftrag von Max Heyl in wenigen Jahren auf dem Antiquariatsmarkt zusammengetragen.
Die weiteren Luther-Schriften,
die jetzt in das Weltdokumentenerbe aufgenommen wurden: Luthers Psalmen-Vorlesung (1513-15, Scholienheft, Manuskript der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, und der Druck mit handschriftlichen Marginalien und Glossen, Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Luthers Römerbrief-Vorlesung (1515/16, Manuskript der Anhaltinischen Landesbücherei Dessau), Hebräische Bibel (gedruckt in Brescia 1494, Exemplar mit handschriftlichen Annotationen von Luther in der Staatsbibliothek Berlin), die 95 Thesen gegen den Ablass (Einblattdruck 1517, Exemplar der Staatsbibliothek Berlin), Ein Sermon von Ablass und Gnade, Wittenberg 1518 (Exemplar der Anna-Amalia-Bibliothek Weimar), Von der Freiheit eines Christenmenschen, Wittenberg 1520 (Exemplar der Forschungsbibliothek Gotha), Luthers Anhörung auf dem Reichstag zu Worms (Luthers Redemanuskript vom 17./18. April 1521, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar), Luthers Brief an Karl V. (Manuskript vom 28. April 1521, Lutherhaus Wittenberg), das sog. Septembertestament, Wittenberg 1522 (Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Luther-Bibel (Wittenberg 1534, Exemplar der Anna-Amalia-Bibliothek Weimar) Luthers Lied Nun freut euch, lieben Christen g’mein (Einblattdruck 1523/24, Exemplar der Universitätsbibliothek Heidelberg), Luthers Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts, Wittenberg 1526 (Exemplar der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek Jena). Die Wissenschaftliche Stadtbibliothek Worms gehört damit zur Crème de la Crème von deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken mit historischem Bestand. Bemerkenswert ist auch, dass Luthers deutsches Redemanuskript vom Wormser Reichstag zu dem Ensemble gehört!
Die Auswahl der Luther-Schriften erfolgte durch das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz, das dazu im Februar 2012 ein internationales Expertengespräch führte und im vergangenen Jahr eine ausführliche Dokumentation mit Beschreibung der Exemplare vorlegte: Dingel, Irene / Jürgens, Henning P. (Hg.), Meilensteine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Martin Luthers, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2014 (Stadtbibliothek Worms: -Mag- W Gs 576).
Insgesamt ist Deutschland jetzt mit 22 Einträgen im Weltdokumentenerbe vertreten, darunter auch mit den Nibelungenhandschriften A, B und C, die in München, Berlin und Karlsruhe/Stuttgart aufbewahrt werden.
Neben der Stadtbibliothek Worms ist in Rheinland-Pfalz nur die Stadtbibliothek Trier im UNESCO-Weltdokumentenerbe vertreten: seit 2003 mit dem ottonischen Codex Egberti aus der Reichenauer Malschule.