Eine neu eingebaute "Weitwurfdüse" soll den Erhalt der Wormser Mikwe unterstützen. Im Laufe der 12-monatigen Testphase soll auch der Synagogengarten wieder zugänglich werden.
Sie befindet sich derzeit im Dornröschenschlaf, doch es gibt gute Nachrichten: Die Rede ist von der Wormser Mikwe. Seit geraumer Zeit ist sie aus baulichen Gründen gesperrt und auch der angrenzende Synagogengarten blieb in den letzten Monaten vorsorglich geschlossen. Statt Pflanzen „schmückte“ zuletzt ein großes, weißes Zelt den Garten. Was wenig schön aussieht, war jedoch dringend für den Erhalt der Mikwe nötig.
Erbaut im 12. Jahrhundert als Grundwasser-Mikwe, wurde die Stätte noch bis ins frühe 19. Jahrhundert rituell genutzt. Später wurde sie zweckentfremdet und als Senkgrube für Abwasser verwendet. Diese Umwidmung und einige damit verbundene Umbauten sind für die Probleme verantwortlich, die 2016 zur Schließung der Mikwe für den Publikumsverkehr führten. Der Mikwe wurde nämlich ihre natürliche Belüftung genommen, was zur Entstehung eines feuchten Klimas führte. Dies hatte Schäden am Mauerwerk zur Folge, was wiederum den Eintritt von Wasser in die Mikwe begünstigte. Es bildeten sich Salze und Grünbefall (Algen, Moos).
Für den Erhalt und die Instandsetzung der Mikwe setzen sich Hannah Lunemann vom städtische Wormser Immobilienmanagement und Aquilante De Filippo von der städtischen Denkmalschutzbehörde seit geraumer Zeit ein. Geplant war zunächst die Abdichtung der Mikwe von außen, um den Eintritt von Wasser zu unterbinden. Doch der Boden im Synagogengarten hielt eine Überraschung für die Experten parat: Mauerreste, die bei den vorbereitenden Arbeiten gefunden wurden, riefen zunächst Archäologen auf den Plan. Und statt der geplanten Abdichtung der Mikwe musste eine Alternativlösung her.
„Als eine äußere Abdichtung aufgrund der archäologischen Funde nicht mehr möglich war, haben wir die Situation der Mikwe neu evaluieren müssen. Uns war ziemlich schnell klar, dass wir die Unterstützung eines Bauphysikers brauchen“, erläutert Lunemann. „Seitdem wir Teil des Welterbes sind, ist auch das Interesse an unseren jüdischen Stätten nochmals stark gestiegen. In Folge dessen konnten wir uns ein großes Netzwerk an Experten aufbauen, was uns hier zugutekam“, so De Filippo weiter. In Zusammenarbeit mit dem Münchner Labor Dr. Ettl und Dr. Schuh entstand eine sogenannte Weitwurfdüse, die die Problematik der Wormser Mikwe lösen soll.
„Die Weitwurfdüse darf man sich als einen großen kalten Föhn vorstellen. Mit dem System wird Luft von außerhalb der Mikwe angesaugt und mit viel Druck bis auf den Grund des Tauchbeckens geleitet. Über die historischen Luftschächte gelangt die Luft wieder aus der Mikwe hinaus. In und an der Mikwe verbaute Sensoren messen dabei Temperatur sowie Feuchtigkeit. Anhand dieser wird die Weitwurfdüse gesteuert“ erläutert Lunemann.
„Bei unserer Weitwurfdüse handelt es sich um ein Unikat, das extra für unsere Wormser Mikwe angefertigt wurde. Ob und wie gut ‚unser Föhn‘ hilft, werden wir nun zwölf Monate lang testen. Anschließend gilt es die gesammelten Daten und die hoffentlich veränderte Situation in der Mikwe zu beurteilen“, informiert De Filippo. Die Steuerung der Düse und Überwachung der Messwerte übernehmen zunächst noch die Münchner Partner – man befinde sich aber im engen Austausch und habe auch selbst Zugriff auf alle Daten, berichten die Wormser Verantwortlichen.
„Wenn sich der Einsatz der Weitwurfdüse als erfolgreich erweist, erhoffen wir uns einen dauerhaften Einsatz“, unterstreicht der Beigeordnete für Stadtentwicklung Timo Horst. „Neben der Mikwe sollen in den nächsten Jahren noch weitere bauliche Maßnahmen im Synagogenbezirk erfolgen. Die Sanierung unserer Synagoge – insbesondere der Fundamente – ist genauso wichtig, wie die Verschönerung des Synagogengartens, der nach den Baumaßnahmen wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll“, so Horst weiter.
Auch Oberbürgermeister Adolf Kessel ist von den technischen Möglichkeiten der Düse beeindruckt und betont: „Unser oberstes Ziel ist der Erhalt und die Instandsetzung unserer Mikwe. Natürlich ist es aber auch wünschenswert, dass sie wieder für Besucher zugänglich wird“.
Bis dahin steht aber noch einiges an. Mit dem Ende der archäologischen Grabungen verschwindet auch das wenig dekorative Zelt aus dem Synagogengarten. Danach wird die Grabungsfläche temporär verschlossen bzw. aufgefüllt, damit zumindest der Garten wieder zugänglich ist. Sobald die Testphase von zwölf Monaten beendet und das weitere Vorgehen geklärt ist, wird sich auch einiges hinter der Synagoge ändern.